Der Tag, an dem ich aus Versehen in ’ner Bäckerei gewohnt hab
Ey, Digga, ich schwör dir bei meinem letzten Pfandzettel – ich wach auf, Kopf bretthart wie ’ne gefrorene Schrippe, Maul trocken wie ’n Keks auf Methadon. Und um mich rum? Kein Regen, keine Kotze, keine Udo-Fresse – sondern: warm. Riecht nach Teig. Nach Backstube. Nach… Heimat?
Ich lieg da auf so ’nem mehlig-staubigen Boden, zwischen Pappkartons, mein rechter Arm umarmt ’nen Sack Mohn wie ’n liebestoller Koala. Ich denk erst, ich bin tot und das hier is das Bäcker-Paradies, wo jeder Tag Sonntag is und die Brötchen nie hart werden. Aber nee, das is real, Alter. Ich hab aus Versehen in ’ner Bäckerei gepennt.
Fragt mich nicht wie. Also doch, ich sag’s dir eh: Vorabend, ich voll wie zehn Züge, stolper durch die Gassen, such ’nen Platz zum Pissen. Sechserträger Oettinger schon halb leer, Blase voll, Seele leerer. Dann seh ich ’ne offene Tür hinten bei so ’nem Bäckerladen – Lichtröhre flackert, ich denk, safe, Klo oder Wärmestelle oder Engel oder was weiß ich. Ich geh rein. Irgendwas knackt, ich leg mich auf die Mehlsäcke. Zack. Filmriss.
Nächster Morgen. Irgendeine Trulla – schick, mit so ’nem Bäckerei-Poloshirt in Apricot oder Aprikose oder was das sein soll – glotzt mich an, als hätt ich ihr auf die Laugenstange gekackt. Ich grins sie an, sag:
„Moin, is das hier All-you-can-schnarch?“
Sie sagt nix. Guckt nur. Dann: „Du… wohnst hier?“
Und ich: „Seit drei Croissants, ja.“
Statt mich rauszuschmeißen, lässt se mich da. Ich schwör. Ich hab dann einfach da gewohnt. Zwei Tage lang. Hab Schrippen ausgegeben, Brötchen geordnet, Kunden angepöbelt mit Stil. „Für Sie nur das Altbackenste, Chef!“ Die Leute ham’s gefeiert. So’n Prenzlberg-Hipster hat mir sogar ’n Fünfer gegeben. Ich hab ihm dafür ’n Brötchen mit nix drin überreicht und gesagt: „Das is Minimalismus, du Lauch.“
Dann, klar, kommt so’n Manager-Fatzke – Glatze mit Scheitel, Hemd, das nach Prittstift riecht – und fragt:
„Wer sind Sie?“
Ich so: „Ich bin die Seele vom Sauerteig, Alter.“
Er ruft die Bullen.
Zwei Streifenbullen kommen, einer schielt, der andere kaut ’n halbes Kaugummi wie ’n Kuh mit Parkinson. Ich hock auf nem Karton wie auf ’nem Thron und ruf:
„Wer von euch will Croissant-Kung-Fu lernen?!“
Sie nehmen mich mit. Ich darf nix mitnehmen. Nicht mal ’n Brötchen. Aber – und das sag ich dir unter Eid auf meine letzte Pfandflasche – ich hab heimlich ’nen Mohnsack unterm Mantel rausgeschmuggelt. War mein Kissen, Bruder. Kannste nicht einfach da lassen.
Halbseidener Lebensratschlag:
Wenn du versehentlich irgendwo wohnst, tu einfach so, als wär’s Absicht. Das is der Unterschied zwischen Hausbesetzer und Visionär.