Die Schwester vom Knaller-Kalle
Es gibt Leute, die sind bekannt, weil sie laut sind. Kalle zum Beispiel. Knaller-Kalle, der mit der Jacke aus Alufolie und dem Tick, bei jedem Martinshorn zu schreien „Sie holen mich nicht, ich hab bezahlt!“
Aber was viele nicht wissen: Kalle ist nur der kleine Fisch in einem viel tieferen, viel dreckigeren Teich.
Denn da ist Silvi – seine große Schwester. Und wenn du Kalle für verrückt hältst, hast du Silvi noch nicht erlebt.
Silvi – das Phantom von Gleis 3
Sie taucht nicht oft auf. Aber wenn sie kommt, dann mit einem Knall. Nicht laut – gefährlich ruhig. So eine, die dich fragt, ob du ’ne Zigarette hast, und während du kramst, hat sie dir schon den Tabak aus der Jacke gezogen.
Glatte Bewegungen, keine Hektik. Silvi ist die Straße in Menschengestalt: hart, abgewetzt, gnadenlos effizient.
Die Legende sagt, sie sei früher Pflegekraft gewesen. „Altenheim Silberglocke“ oder sowas. Bis der Heimleiter ihr zu blöd kam – da hat sie ihm mit ’nem Katheterbeutel die Fresse poliert und ist seitdem abgetaucht. Kalle sagt, sie hat seitdem geschworen, nie wieder zu arbeiten, nur noch zu „balancieren“. Was auch immer das heißt.
Der Kalle-Komplex
Kalle redet ständig von ihr. Wie von ’ner Göttin mit Nagelbrett. „Meine Schwester, die Silvi, die hat mal mit bloßen Händen ’nen Security umgedreht, weil der ihren Tetra entsorgt hat.“
Und du siehst’s ihm an: Er hat Respekt. Fast schon Angst. Selbst wenn er voll ist, der Name „Silvi“ macht ihn leise.
Einmal meinte er, sie hätte ihm beigebracht, wie man mit Schaum ausm Dixi-Klo Brötchen aufweicht. Das ist Liebe auf Untergrundniveau.
Silvis Revier
Ihre Stammplätze sind nie lange dieselben. Mal taucht sie in Köln-Mülheim auf, dann plötzlich in Kassel vorm H4-Center. Immer mit Plastiktüten voller leeren Shampooflaschen – „Zum Tauschen“, sagt sie.
Sie hat ein Netzwerk aus unsichtbaren Schulden. Wenn du ihr mal geholfen hast, vergisst sie das nie. Aber wehe, du hast sie beklaut oder belogen – dann hast du ein Problem. Und glaub mir, Silvi findet dich.
Es heißt, sie schläft nie am selben Ort zwei Nächte. Sie traut keinem. Nicht mal sich selbst. Aber sie hat ein Händchen für Deals. Einmal soll sie einem Busfahrer ein Ersatzrad verkauft haben, das sie vorher von seinem eigenen Bus abmontiert hat.
Silvi und der Knall
Der Name Knaller-Kalle? Kam angeblich auch von ihr. Als er klein war, hat sie ihm Knallerbsen in den Schlafsack gestreut. Er hat sich eingenässt und angefangen, bei jedem Knall zu schreien. Seitdem: „Knaller-Kalle“.
Und trotzdem – oder genau deshalb – liebt er sie. Die Silvi. Weil sie die Einzige ist, die ihn versteht. Weil sie das ist, was viele nie werden: frei, fies und felsenfest im Sumpf.
Fazit:
Silvi ist keine Schwester. Sie ist ein Ereignis. Eine Naturgewalt im Trainingsanzug. Und wenn du denkst, du bist schon tief unten – dann sei froh, dass du Silvi nie ans Bein gepisst hast.
Die Straße hat ihre Königinnen. Und Silvi regiert ohne Krone – aber mit Faust.