Die Legende vom Schlafsack-Sergej, der nie nass wurde
Es gibt Geschichten da draußen, die klingen wie Märchen für Alkoholiker. Und dann gibt’s Sergej. Der Typ war kein Trinker, kein Spinner, kein Jammerlappen – er war ein Phänomen aus Nylon und Überlebenstrieb. Man nannte ihn „Schlafsack-Sergej“, und das nicht aus Romantik, sondern weil er buchstäblich darin lebte. Tag und Nacht. Sommer wie Winter. Und das Krasseste? Der wurde nie nass.
Ich mein: wir alle kennen das – du pennst draußen, und selbst wenn der Himmel blau bleibt, bist du morgens klamm wie’n toter Dachs. Tau, Pisse, Nebel, irgendwas erwischt dich immer. Aber Sergej? Der war immer trocken. Wie der Papst unterm Baldachin.
Und glaub mir: die Leute haben nachgeschaut. Nicht weil sie neugierig waren, sondern weil sie’s einfach nicht glauben konnten. Der Typ lag auf Pappe, neben sich ne offene Kippe, der Schlafsack halb offen, und trotzdem: nicht ein Tropfen Feuchtigkeit. Kein Schimmel, kein Mief, nix. Der Stoff war wie versiegelt – als ob Gott ihm persönlich ne Gore-Tex-Lizenz gegeben hat.
Die Theorien gingen wild:
- War’s Nanotechnologie?
Einer meinte mal, Sergej hätte früher für die russische Armee gearbeitet – Spezialeinheit Schlafsack oder so. Könnte sein. Sein Blick war jedenfalls wie aus’m sibirischen Schneesturm geschnitten. - War’s Magie?
Andere sagten, er hätte nen Deal mit den Tauben, die ihn nachts trockenfächerten. Ein Typ aus Kiel schwor, er hätte Sergej gesehen, wie er bei Platzregen einfach liegenblieb – und der Regen hat ihn gemieden.
Wirklich: Die Pfütze hat nen Bogen um ihn gemacht. - Oder war’s einfach Erfahrung?
Vielleicht wusste er einfach, wo die Luft steht, wie die Feuchtigkeit zieht, wann der Asphalt warm bleibt. Vielleicht war sein Schlafplatz immer einen halben Meter schlauer als deiner.
Was war Sergejs Geheimnis?
Ich hab ihn einmal gefragt. Direkt, Auge in Auge, mit Flasche in der Hand.
Ich: „Ey Sergej, warum wirst du nie nass, Alta?“
Er: zieht an seiner selbstgedrehten, lächelt
„Weil ich weiß, wann der Regen kommt, und der Regen weiß, dass ich bleibe.“
Poesie, Bruder. Pennerpoesie.
Danach hat er sich umgedreht, in seinen Schlafsack gekuschelt, und innerhalb von zwei Minuten war er weggedämmert – unter einer Brücke, bei Niesel, auf nacktem Beton. Trocken wie’n Kellerkind.
Und heute?
Man sagt, Sergej sei weitergezogen. Vielleicht Richtung Südosten, dahin, wo der Morgentau nicht beißt. Vielleicht hat ihn auch die Stadt vertrieben, oder er ist einfach eins geworden mit seinem Schlafsack, aufgestiegen zur nächsten Daseinsform – ein flüsternder Hauch aus Polyester und Würde.
Aber wenn du draußen bist und es regnet nicht, obwohl es regnen sollte,
dann denk dran:
Vielleicht liegt Sergej irgendwo in der Nähe – und schützt auch dich.